Dienstag, 28. Oktober 2014

Lichtkugeln


Ich habe eine neue Freikarten-Story für euch! Dieses Mal will ich ins Theater, ins Deutsche Schauspielhaus, will mich mit Freunden treffen, die mich spontan gefragt haben. 20 Uhr, hmm. So weit, wie mein Weg ist, werde ich es nicht rechtzeitig schaffen. Na gut.
Am Hauptbahnhof Süd verliere ich kostbare Zeit damit, mich mithilfe meines Smartphone-GPS zu orientieren. Dann bin ich da.

Das Deutsche Schauspielhaus, eindrucksvoller Bau, eine mürrische Frau am Tresen. Auf meinem Handy blinkt eine Nachricht: Sie machen keinen Späteinlass. Ich rüttele an der Tür, lehne mich dagegen, doch keine Chance, die nette Frau lässt mich nicht herein.

Randalieren, Feuer legen, schreien oder sie einfach eintreten? Ich weiß es nicht.
Ich brauche einen Plan B. Nur fünf Euro sind in meinem Geldbeutel, alle Vorstellungen der Freikartenhäuser vorbei. Da bleibt nur… das 3001, direkt an der Sternschanze.

Vor dem 3001, einem Kino, das Originalfilme zeigt, sitzen junge und alte Menschen unter einem großen Sonnensegel und rauchen, trinken Bier, unterhalten sich. Ich betrete das Foyer des Kinos, von dessen Decke rote und weiße Lichtkugeln baumeln, und bin sehr neugierig. An der These klebt ein Schild: Bitte keine Ausweise. Ermäßigungen nach eigenem Ermessen. Das ist genau das, was ich gerade brauche.

Also zahle ich den niedrigeren Preis, sehe die Verkäuferin entschuldigend an, doch die lächelt nur breit und schüttelt den Kopf. „Alles gut!“

Während ich im Saal sitze und Nick Caves Stimme lausche, lasse ich mich von seiner Geschichte entführen. Die Filmwand scheint zu vibrieren, eine spürbare Energie geht von den bunten Bildern aus, die seinen Tagesablauf zeigen, seine Vergangenheit und die Menschen, die in seinen Erinnerungen leben.

Als er seine Lieder spielt, wie in Trance, in einem kleinen Studio, in einer riesigen Oper, weiß ich, dass ich hier bin, hier an der Traumschanze.

Er redet von dem Moment, in dem er ein Monster weckt. Dem Moment, in dem Wirklichkeit und Fantasie sich überlappen, in dem sie als Text die Welt der Gedanken verlassen. Als vage Schemen geboren nehmen sie Gestalt an, herausgearbeitet durch Menschen, die daran feilen, ihnen Wahrheit entlocken.

Dann sind wir, dann leben wir. Dann werden Sterne zu Träumen.



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